Schatzinsel-Buchtipp im Solinger Tageblatt vom 7. April 2016*:
“In den Straßen die Wut”
von Ryan Gattis, übersetzt von Ingo Herzke
Rowohlt, 2016
Los Angeles. 1992. Die Polizisten, die Rodney King misshandelten, werden freigesprochen. Es kommt zu schweren Unruhen, die sechs Tage dauern: Es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände.
Der Autor Ryan Gattis recherchierte jahrelang zu diesem Thema, führte viele Interviews, und verwandelte sein Material dann in einen Roman, und fand mit “All Involved” auch den perfekten Titel.
Gattis lässt viele Menschen zu Wort kommen: Latino-Gang-Mitglieder, Feuerwehrleute, Polizisten, Dealer, Junkies, Ladenbesitzer, die Schwester, die ihren Bruder rächt, Obdachlose, Krankenschwestern, Zuhälter, Sprayer und Ernesto Vera, der in keiner Gang ist und ein Praktikum in einer Sushi-Bar machen möchte. Aber alle sind “involved”, ob sie es wollen oder nicht. Jeder bekommt sein eigenes Kapitel, jeder erzählt aus seiner Sicht. Entstanden sind Monologe: Sprech-Prosa, durchsetzt mit Slang. Geschichten, die sich kreuzen, oder nebeneinander her laufen.
Das ist alles sehr weit weg und fremd und gewalttätig, und das muss man auch nicht mögen. Aber das ist Literatur, und zeigt, was Literatur immer noch vermag: Die Welt einzufangen und darzustellen. Autoren wie Ryan Gattis können das, und Übersetzer wie Ingo Herzke lassen diese Monologe dann auch im Deutschen lebendig klingen. Und HBO wird “All Involved” als Serie produzieren.
* der Vollständigkeit halber werden wir nach und nach alle Schatzinsel-Buchtipps, die seit 2016 im Solinger Tageblatt erschienen sind, nachtragen.