Schatzinsel-Buchtipp im Solinger Tageblatt vom 4. Januar 2018:
“It’s all true”
von Carmen Stephan
Verlag S.Fischer, 2017
Vier Männer auf einem Floß
Carmen Stephan erzählt von zwei Begebenheiten. Beide sehr interessant, beide sehr wahr. Und beide vielfältig miteinander verwoben.
Im Jahre 1941 machen sich im Norden von Brasilien vier Fischer auf den Weg und segeln mit ihrem Floss in 61 Tagen 2381 km die Küste entlang Richtung Süden, um in Rio beim Präsidenten gegen ihre ungerechten Arbeitsbedingungen zu protestieren. Orson Welles, das 27-jährige Wunderkind aus Hollywood, das gerade “Citizen Kane” abgedreht hatte, hört von dieser Geschichte, und beschließt sie zu verfilmen, als vierte Episode in seinem neuen Film “It’s All True”. Er reist nach Brasilien, trifft sich mit Jacaré, dem Anführer der vier Fischer. Die beiden freunden sich an.
Bei den Dreharbeiten, beim Nachstellen ihrer Ankunft in Rio (“Ich will, dass ihr es genauso macht wie es war”), kentert das Floss, Jaceré stürzt ins Meer und bleibt verschwunden. Welles ist erschüttert, stellt das Konzept des Films komplett um, und überwirft sich mit Hollywood. Sein Film blieb Jahrzehnte verschollen, und taucht erst kurz vor seinem Tod wieder auf.
Stephen findet für diese ineinander verwobenen Geschichten, einen ganz eigenen, erhabenen Ton. Ihre kurze, knappe Prosa ist völlig entschlackt. Es entsteht ein philosophischer, fast ein philosophisch-religiöser Roman von nur 116 Seiten, der es in sich hat und den Leser ehrfürchtig zurücklässt.