Schatzinsel-Buchtipp im Solinger Tageblatt vom 15. März 2018:
“Speicher 13”
von Jon McGregor, übersetzt von Anke Caroline Burger
Liebeskind, 2018
Wir sind in Mittelengland, in der heutigen Zeit. In einem Dorf. Eine Familie verbringt hier ihre Weihnachtsferien. Die 13-jährige Tochter verschwindet spurlos. Die Polizei startet eine große Suchaktion.
Und jetzt wird es heikel: “Speicher 13” ist ein sehr guter Roman, aber das lässt sich hier nicht begründen ohne zu viel zu verraten von dem, was nun in diesem Dorf geschieht und erzählt wird und was eben nicht erzählt wird.
So etwas wie “Speicher 13” haben Sie bisher noch nicht gelesen. Deshalb hier nur eine Warnung für Krimi-Leser: wer einen lupenreinen Krimi lesen möchte, sollte “Speicher 13” besser meiden. Das Mädchen wird gesucht, aber auch das Leben im Dorf geht weiter: Paare ziehen zusammen oder trennen sich, Zwillinge werden geboren, Geschäfte müssen schließen, Dorffeste werden gefeiert und Jugendliche treffen sich an den alten Speichern.
Das Besondere an diesem Buch ist, wie es erzählt wird. Man könnte es parataktische Erzählweise nennen: Wie eine fliegende Kamera fängt der Erzähler die Menschen ein, das Kommen und Gehen der Jahreszeiten, das Dorfleben, das Leben der Tiere, die polizeilichen Ermittlungen, und reiht das alles – oft absatzlos – und völlig gleichwertig aneinander.
Der Roman gleitet dahin wie ein ruhiger, stetiger Fluss, dessen Sog den Leser mitzieht und ihm keine Gelegenheit gibt an irgendeiner Stelle richtig Halt zu finden. Und die Zeit vergeht…