Am 27. Februar 2020 erschien unser 41. Buchtipp im Solinger Tageblatt:
Ein Roman, der das Leben feiert:
Marianengraben
Der Marianengraben. Die tiefste Stelle des Weltmeeres. Elftausend Meter tief. Dort unten vollkommene Dunkelheit. Diese Dunkelheit begleitet die Biologin Paula nun schon zwei Jahre lang. Nach dem Tod ihres 10-jährigen Bruders Tim ist der Marianengraben zum Inbegriff ihrer Trauer geworden, die Zahl 11000 steht für die Tiefe ihrer Depression und ist zugleich Überschrift des ersten Kapitels.
Was nun folgt ist alles andere als eine schwermütige Geschichte. Ganz im Gegenteil, Jasmin Schreiber gelingt ein schriftstellerisch brillanter Spagat zwischen zutiefst gefühlter Trauer und herrlicher Situationskomik, die weder albern noch deplatziert wirkt. Dass die Autorin sich ehrenamtlich im Bereich Sterbebegleitung engagiert und die Sprache der Trauernden spricht, merkt man dem Roman besonders in den Dialogen an.
Mit dem skurrilen Zusammentreffen von Paula und dem schrulligen Helmut auf dem nächtlichen Friedhof beginnt für das ungewöhnliche Duo eine besondere Reise, auf der Asche verstreut und Trauer bewältigt wird.
Ich lese mich durch weitere lustige und tieftraurige Momente, erlebe wie Paula Seite für Seite aus dem Marianengraben auftaucht und die Zahlen der Kapitel-Überschriften immer kleiner werden. Dieser Roman feiert das Leben ohne das Sterben auszuklammern und macht die Erzählung dadurch zu etwas ganz Besonderem.
Jasmin Schreiber, Marianengraben
Eichborn Verlag 2020, 254 Seiten, 20 €