Am 23. Januar 2020 erschien unser 40. Buchtipp im Solinger Tageblatt:
Ein Buch über Rache, Schuld und Gerechtigkeit:
Am Tag davor
1974 kommen bei einem Grubenunglück im Nordosten Frankreichs 42 Bergleute ums Leben. Da die Zeche bald geschlossen werden sollte, missachtete die Werksleitung fahrlässig Sicherheitsbestimmungen.
Michel, der Erzähler des Romans, war damals 16 Jahre alt. Sein älterer Bruder Joseph arbeitete gegen den Willen des Vaters im Bergwerk und starb an den Folgen des Unglücks. Am Tag davor war Michel abends noch zusammen mit seinem Bruder auf dem Motorrad unterwegs und die beiden fühlten sich unbesiegbar.
Der Tod des Bruders wirft Michel völlig aus der Bahn: “Ich war an Josephs Tod verwelkt. Meine Jugend war alt geworden”.
Er verlässt kurz darauf das Dorf und lebt die nächsten 40 Jahre in Paris. Als seine Frau stirbt, kehrt er nach Hause zurück, um nun endlich Rache zu nehmen. Unerkannt wird er wieder Teil des Dorflebens, und sucht schließlich den Mann auf, den er für den Schuldigen am Tod seines Bruders hält.
Dieses geschieht alles noch zu Beginn des Romans und mehr darf hier auch nicht erzählt werden, denn die Geschichte steckt voller überraschender Wendungen.
Es ist ein Buch über Rache, Schuld und Gerechtigkeit. Die Familie, die Dorfgemeinschaft, die Arbeit unter Tage und die besondere Sprache der Bergarbeiter – all das fängt der Autor sehr genau ein. Der Roman ist schnörkellos erzählt, steckt aber voller Wucht oder, wie Le Parisien es treffender ausdrückt, es ist ein Roman wie ein Faustschlag.
Text: Ingo Klaus (mit tatkräftiger Unterstützung von Caro Kühndahl – Danke!)
Foto: Penelope Karachristos.
Sorj Chalandon, Am Tag davor
aus dem Französischen von Brigitte Große, dtv Verlagsgesellschaft 2019, 320 Seiten, 23,- €