Am 2. April 2020 erschien unser 42. Buchtipp im Solinger Tageblatt:
Dieses Bilderbuch ist eine wahre Freude:
Der Wolf kommt nicht
Kreativität, Phantasie, wilde Formen und Farben, Freiheit und Anarchie. Im Bilderbuch ist alles möglich. Oft ist es große Kunst und so ist das auch bei “Der Wolf kommt nicht”: Der kleine Hase wird ins Bett gebracht und dabei verwickelt er seine Mutter in ein Gespräch über den Wolf: Ob dieser nicht doch irgendwie hierher kommen könne, fragt er besorgt. Die Mutter erklärt ihm geduldig, es gebe keine Wölfe mehr, oder nur noch im Wald, und ein Wolf würde es sowieso niemals hier in die Stadt schaffen, und schon mal gar nicht in dieses Haus. Aber der kleine Hase ist noch nicht überzeugt. Der Wolf könne es vielleicht doch schaffen, er sei schlau – und wir Leser sehen dabei, was der kleine Hase sich alles vorstellt: Wie es der Wolf wirklich in die Stadt schafft, wie er sich dort als Hund tarnt und sogar die Hasenstraße findet, wie er – Stopp! – mehr wird hier nicht verraten, denn dieses Bilderbuch spielt mit den Erwartungen der Leser: Hat der kleine Hase denn überhaupt Angst vor dem Wolf oder geht es hier um etwas völlig anderes?
Die überraschende Auflösung ist dann eine wahre Freude. Die Geschichte ist mit leichtem, feinem Strich gezeichnet, braune und blaue Farbflächen auf weißem Grund wechseln sich ab und der gar nicht einmal so knappe Dialog zwischen Mutter und Sohn ist farblich abgesetzt. Beim wiederholtem Anschauen entdeckt der gerührte Leser noch die eine oder andere versteckte Kleinigkeit und lacht schon wieder. Einfach beglückend.
Myriam Ouyessad (Text), Ronan Badel (Zeichnungen), Der Wolf kommt nicht
aus dem Französischen von Ina Kronenberger, Gerstenberg Verlag 2020, 32 Seiten, 13 €