James Hynes, Ich, Sperling
So einen Roman haben Sie noch nicht gelesen, weil es so einen Roman bisher nicht gab. Was Pompeij für die Archäologie ist, ist „Ich, Sperling“ für die Literatur: Denn der Großteil unseres Wissens über die Geschichte der Menschen ist Wissen über das Leben der Herrschenden, der religiös Mächtigen und der Reichen. In Pompeij hingegen erfahren wir auch vom Leben der einfachen Bevölkerung -und so ist es auch in diesem Roman:
Küche Taverne Bordell
Wir befinden uns im vierten Jahrhundert nach Christus, in einer Küstenstadt im Spätrömischen Reich. Ein namenloser Waisenjunge, ein Sklave, wächst in der Küche einer Taverne auf. Die Taverne hat einen kleinen Garten und im ersten Stock ein Bordell. Seine Ersatz-Familie besteht aus Sklaven: der Köchin und den Prostituierten, den sogenannten Wölfinnen. Er hilft zuerst in der Küche, dann darf er für Botengänge das Grundstück verlassen und entdeckt dabei die Stadt. Später arbeitet er in der Taverne, und dann muss er in den ersten Stock.
Brutalität Freundschaft Würde
Die Welt um ihn herum ist voller Brutalität. Aber auch hier gibt es Freundschaften und Liebe, Aufbegehren, Selbstermächtigungen und Würde. Hynes hat zehn Jahre an diesem Buch gearbeitet und es ist ihm gelungen, aus seinen Recherchen heraus eine lebendige Welt zu erschaffen, die duftet und riecht und reich an visuellen Eindrücken ist. Dieses Buch ist ein großer Wurf.
James Hynes, Ich, Sperling, aus dem Englischen von Ute Leibmann, DTV 2023, 592 Seiten, 22,99 €
erschienen als 79. Schatzinsel-Buchtipp im Solinger Tageblatt am 19. Oktober 2023.
Danke an Caro für die Entrümpelung und Umgestaltung des Textes 🙂